GEDICHTE
 

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Karin Stolte:
Dürrezeit

 

Meine Phantasie versiegt
in der Wüste Alltag.
Und auch Du kommst
kaum mehr zu mir.
Schenkst mir nicht
eine Oase Deiner Gegenwart
oder erquickst mich mit
deinem unsichtbaren Sein.
Sengende Hitze verdorrt jede Träne.
Und meine brennende Haut lechzt
nach einem kühlen Lufthauch,
den Du mir bewegst.

Wüstenwinde verwehen meinen
Geist zu ewig neuen Formen,
in denen Du mir nicht erscheinst.
Wüstensand in meinen Augen
bin ich blind geworden für Dich.
Kein Strauch weit und breit,
der mir Dein Schattenbild wirft.
Nicht einmal die flirrende Luft
gönnt mir ein Traumbild von Dir.
So weit ich schaue Öde ringsum.

Komm Joana, geliebte Tochter,
oh komm doch zu mir,
kühle meine brennende Sehnsucht,
regne mir Dein perlendes Lachen
in meine karge Ödnis,
lass es grünen und sprießen
in meinem Herzen,
in meiner Seele,
in meinem ganzen Sein.

War Dein Leben nichts als
eine zwanzigeinhalb Jahre
währende Fatamorgana,
herausgespiegelt aus
einer anderen Welt?
Zerrissen in einem Moment.

 

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Engel

Es müssen nicht Männer mit Flügeln sein,
die Engel.
Sie gehen leise, sie müssen nicht schreien,
oft sind sie alt und hässlich und klein,
die Engel.
Sie haben kein Schwert, kein weißes Gewand,
die Engel.
Vielleicht ist einer, der gibt dir die Hand,
oder er wohnt neben dir, Wand an Wand,
der Engel.
Den Hungernden hat er das Brot gebracht,
der Engel.
Dem Kranken hat er das Bett gemacht,
und er hört, wenn du ihn rufst in der Nacht,
der Engel.
Er steht im Weg und sagt: Nein!,
der Engel.
Groß wie ein Pfahl und hart wie Stein -
es müssen nicht Männer mit Flügeln sein,
die Engel.


Gitta Deutsch:
Du bist es wert

Du warst es wert
so sehr
geliebt zu werden.

Du bist es wert
dass so viel
Traurigkeit
geblieben ist
an deiner
Stelle.

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von Ursula Meiners, ihr Sohn Karsten verstarb am 10.06.2002 an Lymphdrüsenkrebs.

Ursula Meiners:
Für meinen Sohn

Der helle Frühling tut mir weh,
wenn ich die ersten Knospen seh'
die Tage immer länger werden,
und neues Leben keimt auf Erden.

Wenn dann die bunten Blumen blühn,
die Menschen froh ins Grüne ziehn,
regt Hoffnung sich in meinem Herzen,
ein Ende hätten alle Schmerzen.

Du würdest wieder auf mich warten
auf jener Bank im fernen Garten.
Doch schnell verfliegt der schöne Traum
an Deinem Grab dort unterm Baum,
in dem die Vögel für Dich singen.

Ach, könnte bald der Winter bringen
mir dunkle Tage für das Traurigsein,
und Deinen Hügel hüllte ein
in kalten Nächten weisser Schnee.
Mir tut der helle Frühling weh.


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Freude

Der Freude bedürftig!
Wie viele Male setzen wir
der aufkommenden Freude
ein Aber entgegen.
Wie, wenn wir
in gleicher Weise
einmal mit unseren Traurigkeiten
umgingen.


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Gerry den Otter:
Namen

Lösch nicht ihre Namen aus
verließen sie auch dies Leben.
Lösch nicht ihre Namen aus
als hätt' es sie nie gegeben.
Das liebste, das wir besessen
in ihnen ist das Zukunftsbild gesehen.
Erwarte nicht vergessen
als wäre nichts geschehen.

Denn ich will weiterleben
doch wie, weiß ich nicht gut
gehöre hier zu diesem Leben
und brauch zum Überleben Mut.

Lösch darum nicht ihren Namen aus
nenn ihren Namen und laß mich wissen
auch dir soll's kein Vergessen geben
nur so kann ich noch weiterleben.


Wünsche

irischer Segenswunsch

Ich wünsche dir,
dass dich die Dunkelheit der Nacht
nicht ängstigt und bedroht,
sondern dass dir ein Stern aufleuchtet,
der dir Hoffnung verheißt
für den beginnenden Tag.

Ich wünsche dir,
dass du erfahren mögest,
dass alles, woran du gelitten hast,
nicht vergeblich gewesen ist,
und dass dir Kräfte zuwachsen,
deine Begabungen zu entfalten
und die Beziehungen zu Menschen,
die deinem Herzen nahe stehen,
heilvoll und fruchtbar zu gestalten.

Ich wünsche dir,
dass der kommende Tag
ein segensreicher für dich sein wird.

 

Ich wünsche dir,
dass dich das Licht eines neuen Morgens
hell umfängt,
und dass die ersten Sonnenstrahlen
deine Müdigkeiten berühren
und deine Traurigkeiten erwärmen.

Ich wünsche dir,
dass die weißen Wolken am Himmel
deine versunkenen Träume
wieder neu aufsteigen lassen in dir
und deine wiedererweckten Sehnsüchte
dich in den Tag hinein bewegen.

Ich wünsche dir,
dass der Wind
deinen Atem belebt
und dich erfrischt
zu neuen Schritten,
durch die Veränderung geschieht.